von
Werner Hanitzsch Der
13. Februar 1945 war ein Dienstag. Es war Fasching. Hitler hatte schon
lдngst den УTotalen KriegУ proklamiert, und kein Mensch dachte daran,
Fasching zu feiern. Der
Tag begann fьr mich wie jeder andere. Es war leicht bewцlkt und relativ
mild. Im
Gegensatz zu anderen Nдchten, wo wir mitunter zweimal in den
Luftschutzkeller muяten, war die vergangene Nacht sehr ruhig verlaufen.
Es gab keinen Fliegeralarm. So fuhr ich ausgeruht und guter Dinge mit der
Straяenbahn Linie 22 zum Heizkraftwerk Dresden Mitte, Wettiner Platz.
Dort unterhielt mein Ausbildungsbetrieb eine Dauerbaustelle, auf welcher
ich grцяtenteils eingesetzt war. Was ich jedoch noch nicht wuяte: An
diesem Tag sollte sich mein ganzes Leben einschneidend verдndern. Wie
so oft trug ich auch an diesem Tag die Uniform der Hitlerjugend, da ich
ursprьnglich die Absicht hatte, nach der Arbeit reiten zu gehen. Ich war
Mitglied der Reiter-HJ und verbrachte viele Abende sowie als Stallwache
auch Nдchte in dem Reitstall, welcher in einem der drei
Lingner-Schlцsser auf der Bautzener Landstraяe in Dresden untergebracht
war. Dort muяten wir natьrlich grundsдtzlich in Uniform erscheinen. In
der Hitlerjugend gab es mehrere Gattungen. Da war auяer der Reiter-HJ, in
welcher ich Mitglied war, noch die Flieger-HJ, die Motor-HJ und die
Marine-HJ. Jeder konnte sich, seinen Neigungen entsprechend, eine Gattung
aussuchen. Selbstverstдndlich war dies alles als vormilitдrische
Ausbildung angelegt, aber das interessierte keinen von uns. Unser
Baubьro im Heizkraftwerk befand sich in einem Kellerraum. In diesem
Kellergang hatten auch russische Kriegsgefangene einen Aufenthaltsraum, in
welchem sie sich zu den Pausen aufhielten, wenn sie im Werk zum
Arbeitseinsatz waren. Wдhrend ihrer Pausen bastelten sie dort
Kinderspielzeug aus Holz und verkauften es an die Arbeiter fьr Zigaretten
und Brot. Sie bewegten sich innerhalb des Werkes vollkommen frei ohne
Bewachung. An
diesem Morgen begegnete mir in diesem Kellergang eine kleine Gruppe
Kriegsgefangener. Ich war noch nicht in Arbeitskleidung und trug noch die
HJ-Uniform. Einer der Gefangenen hatte eine selbstgebastelte bewegliche
Spielzeugente bei sich und wollte sie mir verkaufen. Ich hatte jedoch
keinen Bedarf und lehnte deshalb ab. Nach diesem Gesprдch zeigte er auf
meine Arm-Binde mit dem Hakenkreuz und sagte: УDu Hitler? Hitler nicht
gut, Hitler kaputt, Deutschland kaputt, bald.У Mit den Worten: УBist
du verrьckt?У bin ich davongerannt und war froh, daя uns niemand
gehцrt hatte. Mir war natьrlich klar, daя er fьr diese Worte sehr hart
bestraft worden wдre. Da ich in meinem Inneren, trotz der gegenteiligen
Entwicklung, immer noch sehr siegessicher war, trafen mich diese Worte wie
ein Hammer. Den
ganzen Tag muяte ich daran denken. Nun war ich noch dazu mit Arbeiten der
Schadenbeseitigung eines kleineren vorangegangenen Bombenangriffes
beschдftigt, was meine Stimmung keinesfalls verbesserte. So
faяte ich den Entschluя, unbedingt etwas fьr mein Vaterland zu tun.
Irgendwie wollte ich helfen. Deshalb gab ich meinen ursprьnglichen Plan,
reiten zu gehen, auf und begab mich unmittelbar nach Arbeitsschluя zur
Hauptdienststelle des DRK Dresden auf der Tiergartenstraяe. Dort bot ich
meinen Dienst als ehrenamtlicher DRK-Helfer fьr die Nacht vom 13. zum 14.
Februar 1945 auf dem Hauptbahnhof Dresden an. Ich wuяte, daя dort immer
Helfer benцtigt wurden. Zu diesem Zeitpunkt kamen tдglich mehrere
Flьchtlingszьge aus dem Osten an, um Stunden oder auch Tage spдter
Dresden wieder zu verlassen. In den Zьgen befanden sich Tausende von
Menschen, welche vor den heranrьckenden Russen auf der Flucht waren.
Teilweise waren sie schon wochenlang unterwegs und befanden sich in einem
erbarmungswьrdigen Zustand. Diesen Menschen wollte ich also in dieser
Nacht helfen. Am Tage waren mir derartige Dinge nicht mцglich, denn da
muяte ich ja arbeiten. So
erhielt ich denn an diesem Nachmittag eine DRK-Armbinde und einen
Einsatzbefehl, welchen ich bei der DRK-Dienststelle Hauptbahnhof abzugeben
hatte. Eine Vergьtung gab es fьr einen solchen freiwilligen Einsatz
natьrlich nicht. Ich konnte nicht ahnen, was in dieser Nacht geschehen
wьrde. In
unserem Haus wohnte die Familie Georg Klengel, welche eine kleine
Reparaturwerkstatt fьr Bьromaschinen betrieb. Deshalb war in deren
Wohnung ein Telefon vorhanden. №ber dieses Telefon informierte ich meine
Mutter, daя ich in dieser Nacht nicht nach Hause kдme und was ich
vorhatte. Verstдndlicherweise machte sich meine Mutter groяe Sorgen.
Aber ich konnte sie mit dem Hinweis auf Gottes Schutz am Ende doch noch
beruhigen. Mit
Stolz ьber den Einfall zur guten Tat meldete ich mich nun umgehend in der
Dienststelle des DRK im Hauptbahnhof Dresden. Ich wurde sofort als Helfer
einer DRK-Schwester zugeteilt. Wir hatten die Aufgabe, schwerpunktmдяig
auf verschiedenen Bahnsteigen die Flьchtlinge mit Speisen und Getrдnken,
sowie mit kleinen medizinischen Hilfeleistungen zu versorgen. Gegen
21.30 Uhr heulten die Sirenen. Es war wieder einmal Fliegeralarm. In den
vergangenen Jahren hatte ich schon so viele Stunden bei Fliegeralarm
nachts im Keller verbracht, daя ich mich schon daran gewцhnt hatte und
gar nicht mehr дngstlich war. Allerdings, diese Nacht sollte mich das
Fьrchten lehren. In
aller Eile begaben wir uns in den am nдchsten stehenden Zug und suchten
als erstes die behinderten Menschen, um ihnen in den Luftschutzkeller zu
helfen. Unsere Hilfestellung wurde verstдndlicherweise sehr stark
erschwert durch die anderen Leute, die ja alle versuchten, so schnell wie
mцglich in den Keller zu kommen, und deshalb fast panikartig zu den
Tьren drдngten. Alles schrie angsterfьllt durcheinander in dem
Bestreben, seine nдchsten Angehцrigen entweder nicht zu verlieren oder
wiederzufinden. Es war noch nichts geschehen, aber es herrschte bereits
ein entsetzliches Chaos. In
der Mitte des Waggons saя ein etwa l0-jдhriges Mдdchen. Sie weinte und
rief: УKann mir denn niemand helfen?У УWas ist mit dir?У fragte
ich. Unter Trдnen sagte sie mir, daя sie gelдhmt sei und nicht laufen
kцnne. Ich nahm sie sofort in meine Arme und trug sie in den Keller.
Wдhrenddessen fielen in nдchster Nдhe die ersten Bomben. Es pfiff,
heulte, knallte und splitterte entsetzlich. Als
sich der Bombenhagel verschlimmerte, muяten wir dann selbst im Keller
bleiben. Wдhrend dieses ersten Angriffs hatten wir sehr viel zu tun, um
die Menschen im Keller zu versorgen und zu beruhigen. Obwohl das starke
Kellergewцlbe ein Gefьhl der Sicherheit ausstrahlte, hatten die meisten
Menschen eine wahnsinnige Angst. Sie hatten ja zum Teil noch nie einen
Luftangriff erlebt. Nach
etwa 60 Minuten war die erste Angriffswelle vorьber, und es trat Ruhe
ein. Von weitem hцrte man auch ein paar Sirenen mit Entwarnung, aber sehr
viele waren wohl nicht mehr in Betrieb. Wir verlieяen sofort den Keller,
um den Menschen auf den Bahnsteigen, welche den Zug nicht mehr verlassen
konnten, zu helfen. Die Alten und Behinderten sollten zunдchst im Keller
bleiben. Als
wir auf den Bahnsteig kamen, bot sich uns ein Bild des Schreckens. Alles
war ьbersдt mit schweren Glasscherben vom Bahnhofsdach sowie mit
Stahlteilen und Trьmmern aller Art. Dazwischen lagen Tote und verwundete
schreiende Menschen. Zum Teil mit schwersten Verwundungen wie abgerissene
Gliedmaяen, abgerissene Genitalien und aufgeschlitzte Bдuche, wo die
Gedдrme heraushingen. Es war ein Bild des Grauens. So etwas hatte ich
noch nie zuvor gesehen. Wir sind durch ein wahres Meer von Blut ьber die
Scherben und Trьmmer gestolpert und wuяten vor Schreck nicht, was wir
zuerst machen sollten. Wir versuchten dort, wo es noch mцglich war, erste
Hilfe zu leisten und vor allem die Schwerstverletzten auf Tragen in die
Dienststelle des DRK zu transportieren. Dafьr waren natьrlich die
Rдumlichkeiten gar nicht eingerichtet. Wir muяten die Verwundeten von
den Tragen herunternehmen und auf Decken auf den Fuяboden legen. Es
dauerte auch gar nicht lange und der vorhandene Platz war total belegt.
Nun muяten wir vor der Dienststelle in der Bahnhofshalle etwas Platz
schaffen und die Verwundeten dort ablegen. Inzwischen waren schon die
ersten verstorben, aber niemand konnte sich um sie kьmmern. Die
Verwundeten schrien entsetzlich. In
der Zwischenzeit waren schon lдngst mehrere Krankenwagen und Notдrzte
dringend angefordert worden. Aber nichts geschah. Da mir ohnehin speiьbel
war und ich etwas frische Luft brauchte, ging ich vor den Bahnhof, um nach
den lдngst ьberfдlligen Krankenwagen Ausschau zu halten. Dieser Gang
vor den Bahnhof bewahrte mich vor dem sicheren Tod, wie wir etwas spдter
hцren werden.
Wдhrend
ich noch herauszufinden versuchte, ob dies wohl die Markierungen fьr den
vergangenen Angriff waren oder fьr einen neuen, rannten plцtzlich alle
Leute schreiend und schutzsuchend durcheinander. Einige Polizisten
stьrmten mit Handsirenen durch die Straяen und alles schrie: УFliegeralarm!У
Seit dem ersten Alarm mцgen etwa drei Stunden vergangen sein. So
schnell mich meine Beine trugen rannte ich durch die Bahnhofshalle und
versuchte zunдchst die DRK- Dienststelle zu erreichen. Als ich dort
ankam, fielen schon die ersten Bomben. Also sofort kehrt! Richtung
Luftschutzkeller! Schon von weitem sah ich eine Riesenmenschenmenge,
welche sich vor dem Kellereingang staute. Sie versuchten alle in Panik
dort Schutz zu finden. Sie schrien und quetschten sich fast zu Tode.
Dazwischen das ohrenbetдubende Pfeifen und Detonieren der ersten Bomben.
Mir war sofort klar, daя es vollkommen sinnlos war, zu versuchen in den
Keller zu kommen, zumal der Bombenhagel an Intensitдt zunahm. Intuitiv
rannte ich, so schnell ich konnte, durch den nдchstgelegenen Ausgang aus
dem Bahnhof. Ich dachte: УNur raus hierУ und ьberquerte die Bayrische
Straяe, um in das unmittelbar gegenьberliegende Hotel УBayrischer HofУ
zu gelangen. Es war das nдchstgelegene Gebдude, wo ich Schutz suchen
konnte. Ich rannte um mein Leben. Die Luft war erfьllt vom Drцhnen der
Flugzeugmotoren, von dem Pfeifen und Detonieren der Bomben sowie
dem Pfeifen der umherfliegenden Splitter. Es war die Hцlle. Wie
durch ein Wunder erreichte ich unverletzt das Hotel und stьrmte sofort in
den Keller. Die Wege zu und von den Schutzrдumen waren ьberall
gekennzeichnet. Die
Luftschutzrдume in diesem Hotel waren bereits ьberfьllt, als ich
hinkam. Ich fand gerade noch Platz in einem Durchgang zwischen zwei
getrennten Rдumen. Dicht gedrдngt mit einem Paar, welches sich unentwegt
kьяte. Heute kann ich das verstehen. Damals fand ich das dumm und
дuяerst unangebracht. Ich stand direkt unter dem Durchgangsbogen und
lehnte mit dem Rьcken an der Stirnseite der Trennwand der beiden Rдume.
In diesen saяen die Menschen eng zusammengedrдngt auf Bдnken und
Stьhlen. Der
Raum zu meiner Rechten war etwa 4 m x 8 m groя. An seiner Stirnseite
befand sich ein Notausstieg. Dieser war mit einer Stahlschotte
verschlossen und hatte eine Grцяe von etwa 1,2 x 1,2 m. Dieser Ausstieg
befand sich in der oberen Hдlfte der Wand und war ьber eine davor
stehende Stiege erreichbar. Nach
ca. 20 Minuten Bombenhagel brach die Stromversorgung zusammen, das Licht
verlosch. Einige Not- und Taschenlampen leuchteten auf. Angst und
Entsetzen stand auf allen Gesichtern. Die Intensitдt des Bombenhagels
nahm stдndig zu. Ich gewann den Eindruck, daя jetzt die Welt untergeht. Mit
ohrenbetдubendem Lдrm gingen plцtzlich Luftminen auf den Bahnhof
nieder. Die Druckwellen waren auch bei uns noch sehr stark. 0 mein Gott,
dachte ich bei mir, laя diesen Kelch an mir vorьber gehen. Ich wuяte
von meiner Ausbildung her, daя es dort, wo eine Luftmine niedergeht,
keine Rettung gibt. Der entstehende Druck ist so stark, daя den Menschen
die Lungen platzen. Vom
Treppenaufgang her kam die Meldung, daя das Gebдude ьber uns vermutlich
zerstцrt sei. Der Eingang sei verschьttet, dort gab es kein Entkommen
mehr. Einige Leute drдngten darauf, sofort ьber die Notausstiege den
Keller zu verlassen, bevor er einstьrze. Andere wiederum hielten sich
zurьck, denn im Keller sei es z. Zt. immer noch sicherer als drauяen im
Bombenhagel. Ich war mir nicht im klaren, was besser war. Hatte aber
fьrchterliche Angst, in diesem Keller verschьttet und damit lebendig
begraben zu werden. Die
Entscheidung sollte uns sehr schnell abgenommen werden. Plцtzlich gab es
eine wahnsinnige Detonation, welche alles bis dahin Erlebte ьbertraf. Im
gleichen Moment wurde die Stahlschotte des Notausstieges zu meiner Rechten
aus den Angeln gerissen und flog, total deformiert, wie ein Geschoя durch
den Schutzraum. Die Wucht war so stark, daя sich diese Stahltьre in die
8 m entfernte gegenьberliegende Wand bohrte. Die Druckwelle der
Detonation hatte alle stehenden Leute umgeworfen. Ich lag auf dem Boden
und andere Leute auf mir. Plцtzlich ertцnte ein Schrei: УPhosphorУ.
Phosphor ist eine Flьssigkeit, welche sofort brennt, wenn sie mit
Sauerstoff in Berьhrung kommt. Sie flieяt also brennend und entzьndet
alles, was ihr in den Weg kommt. Es ist sehr schwierig, Phosphor zu
lцschen. Gieяt man Wasser darauf, brennt er um so schlimmer. Man kann
ihn also nur mit Sand abdecken und ersticken. Wer
noch konnte, sprang auf. So auch ich. Im Keller bot sich mir ein Bild des
Grauens. Mich packte das kalte Entsetzen. Selbst in meinen ьbelsten
Alptrдumen und Phantasien wurde ich noch nie mit дhnlichen Bildern
konfrontiert. Die durch den Raum fliegende Stahltьre hatte auf ihrer Bahn
den dort sitzenden Leuten den Kopf abgerissen. Diese entsetzliche Szene
wurde beleuchtet von einigen Notlampen und von dem brennenden Phosphor,
welches durch die Ausstiegsцffnung in den Keller strцmte. Der
Schock lдhmte in mir jeden klaren Gedanken. Was jetzt kam, waren Reflexe
der Selbsterhaltung, welche ohne jede №berlegung abliefen. Ich sprang
durch die blutenden Menschen bzw. Menschenteile und drьckte mich seitlich
von dem brennenden Phosphorfluя durch den Notausstieg ins Freie. Dies
gelang mir, ohne mit dem Phosphor in Kontakt zu kommen. Ich
erreichte den Hof des ehemaligen Hotels, welcher mit Trьmmern
verschьttet war. Ringsum brannte alles! Die Hitze versengte mir Kleidung
und Haare. Der
einzige Weg zur Straяe fьhrte durch einen ca. 6 m langen Torweg, welcher
zu dieser Zeit noch stand, aber allseitig brannte. Durch diesen brennenden
Torweg rannte ich um mein Leben. Auf der Straяe brannte der Asphalt! Der
gesamte Hauptbahnhof beziehungsweise was davon noch ьbrig war stand in
hellen Flammen. Ich wendete mich nach rechts, um den Bayrischen Platz zu
erreichen. Nach
wenigen Metern kam mir ein Mann entgegen, drьckte mir ein schreiendes
Kind im Alter von etwa zwei Jahren in den Arm und rannte weiter. Mir blieb
keine Zeit zum Nachdenken und Reagieren, ich stьrmte mit dem Kind im Arm
weiter. Nach etwa 50 m kam mir eine Frau entgegen, welcher ich ebenso das
Kind im fliegenden Wechsel in den Arm drьckte und weiterstьrmte. Der
Bayrische Platz befindet sich unmittelbar neben dem Sьdteil des
Hauptbahnhofes und existiert heute noch. Es ist ein ca 150 x 150 m groяer
freier Platz mit Wiesen und ein paar Wegen. Instinktiv rannte ich zu
diesem Platz, um aus dem tobenden Flammenmeer herauszukommen. Es war die
einzige Rettungsmцglichkeit. Der
Bombenhagel lieя nach, die Bomberverbдnde drehten ab. Nur hin und wieder
detonierte ein Spдtzьnder. Rings um den Platz war haushohes Feuer. Die
Hitze war so groя, daя man es nur in der Mitte des Platzes einigermaяen
aushalten konnte. Wir waren etwa 16 Personen, welche sich dorthin retten
konnten. Durch
die enorme Hitze der riesigen Brдnde wurde ein entsetzlicher Feuersturm
ausgelцst. Dieser verursachte nicht nur einen wahnsinnigen Funkenflug,
sondern trieb faustgroяe glьhende Stьcken wie Geschosse durch die Luft.
Wir legten uns flach auf den Boden, um von mцglichst wenigen dieser
glьhenden УGeschosseУ getroffen zu werden. Auяerdem war so die Hitze
am ehesten zu ertragen. Jeder muяte auf seinen Nachbarn achtgeben. Sobald
einer getroffen wurde, fing er an zu brennen. Sofort hat sich ein anderer
auf ihn geworfen, um mit seinem Kцrper die Flammen zu ersticken.
Zeitweise lagen mehrere Personen ьbereinander, um sich gegenseitig zu
schьtzen. Nur so konnten wir ьberleben. Ich
weiя nicht mehr, wieviel Stunden wir so gegen den Funkenflug kдmpften.
In einer solchen Situation geht jedes Gefьhl fьr Zeit verloren, da man
jede Sekunde mit дuяerster Konzentration um das №berleben kдmpft. Man
spьrt weder Schmerz noch Hunger. Alles lдuft ab wie in einem ьblen
Traum. Etwa
zwischen 4 und 5 Uhr morgens setzte ein leichter Nieselregen ein, welcher
uns etwas Erleichterung brachte. Als
es endlich hell wurde, bot sich uns ein unvorstellbares Chaos. Rings um
uns herum, soweit wir sehen konnten, eine unendliche rauchende und
brennende Trьmmerwьste. Die Straяen waren meterhoch zugeschьttet und
mir noch an einigen einzelnen, noch stehenden Fassaden zu erkennen. Keiner
von uns wuяte so recht, wohin er sich nun wenden sollte. Jeder hatte nur
wahnsinnige Angst um sein Zuhause und seine Angehцrigen. Ich sagte zu
meinem Nachbarn: УAuf alle Fдlle muя ich erst noch in den Bahnhof, um
nach meiner Dienststelle zu sehen und mich abzumelden.С УKomm
zu dir, JungeУ, antwortete er, Уschau zum Bahnhof, glaubst du
wirklich, daя dort noch jemand lebt? Sei froh, daя du dort ьberhaupt
noch rausgekommen bist. Versuch dein Zuhause zu erreichen.У Nach diesen
Worten wurde mir erst bewuяt, daя dort wirklich keiner mehr am Leben
sein konnte und daя nur der Umstand meines Verlassens des Bahnhofes vor
dem Angriff mir das Leben gerettet hat. So
entschloя ich mich, in Richtung Sьden ьber die Trьmmerberge zu
klettern. In dieser Richtung lag Dresden-Plauen. Etwa
nach 15 Minuten sah ich 50 m vor mir eine Gruppe von vielleicht 12Ч15
Personen, welche ebenfalls in meiner Richtung ьber die Trьmmer
kletterten. Plцtzlich sah ich, wie sich
eine neben der Gruppe hochragende Fassade eines vierstцckigen
Hauses neigte. Mir blieb fast das Herz stehen. Ich habe wahnsinnig
geschrien und mich, wie im Reflex, automatisch hinter einen Mauerbrocken
in Deckung geworfen. Mein Schrei ging in dem Getцse, mit welchem die Wand
herniederprasselte, unter. Die gesamte Gruppe wurde darunter begraben. Als
sich der Staub verzogen hatte, war nichts mehr zu sehen Mir zitterten die
Knie und ich brauchte eine geraume Zeit, bis ich in der Lage war.
weiterzugehen.
Endlich,
gegen Mittag, erreichte ich Dresden-Plauen. Auf der Altplauen, eine
Straяe in der Nдhe unserer Wohnung, kam mir meine Schwester Ursula
entgegen. Sie hat mich nicht erkannt und lief an mir vorьber. Erst als
ich sie ansprach, erkannte sie mich. Dies war auch nicht verwunderlich.
Meine Kleidung war total zerrissen und versengt, die Haut ruяgeschwдrzt
und zerschunden. Haare, Wimpern und Augenbrauen verbrannt. Die Augen waren
rot unterlaufen und verquollen. So bot ich ein Bild wie von einem, der
direkt aus der Hцlle kam. Aber die Freude, daя wir noch alle am Leben
waren, ьberdeckte alles andere. Unser
Haus stand zum Glьck noch. Es hatte natьrlich auch allerhand abbekommen.
Die Fenster zertrьmmert, das Dach abgedeckt und Brandschдden durch
Stabbrandbomben im Dachstuhl. Jedoch war dies alles reparabel. Viele
Menschen hatten sich wдhrend des Luftangriffes an die Elbwiesen gerettet.
Dort sind sie am nдchsten Tag von Tieffliegern wie die Hasen gejagt und
abgeschossen worden. Ich konnte es nicht fassen. Das hatte nichts mehr mit
Krieg zu tun. Das war ein Abschlachten unschuldiger Menschen. In mir
entwickelte sich ein tiefes Haяgefьhl und ich schwor mir, diese Menschen
zu rдchen. Aus
dem Hauptbahnhof und seinen Kellern ist niemand lebend herausgekommen. Die
Toten, welche man in den nдchsten Tagen aus dem Keller geholt hat, waren
unversehrt. Sie hatten alle eine dunkelblaue Hautfarbe und ein Blutrinnsal
am Mund. Ein Zeichen fьr die geplatzten Lungen durch die Luftminen. Es
wurden einige tausend solcher Leichen aus
dem Bahnhof geholt und neben demselben auf der Bayrischen Straяe
auf einer Lдnge von etwa 200 m, einer Breite von 6 m und einer Hцhe von
etwa 4 m aufgeschichtet. Tausende
Tode lagen auf Dresdens Straяen herum. Die Luft war erfьllt von dem
Gestank verwesender Leichen. In
der Folgezeit wurden dann mehrere tausend Leichen auf dem Altmarkt in
Dresden von einer Spezialeinheit mit Flammen- werfern verbrannt. Parallel
dazu wurden einige tausend Tote auf dem Heide-Friedhof in Dresden in
Massengrдbern beigesetzt. Dies war die einzige Mцglichkeit, um die akute
Seuchengefahr zu beseitigen. Aufgrund
der vielen Flьchtlinge, welche sich zu diesem Zeitpunkt in Dresden
befanden, war es bis zum heutigen Tag nicht mцglich, die genaue Zahl der
Todesopfer zu ermitteln. Die Schдtzungen liegen bei etwa 60 000.
Das
Buch УMEIN LEBEN IM WANDEL DER ZEITENФ, (ISBN 3-89009-883-5) , aus dem
dieser Ausschnitt stammt, ist zu beziehen ьber den Buchhandel oder den
Autor: Werner Hanitzsch, Schmьckebergsweg 17, 34576 Homberg / Efze, Tel.
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