Der heute im spanischen Exil lebende Dissident Gerd Honsik verfaяte nach dem Bericht eines Augenzeugen eine Ballade, die das Unaussprechliche in Worte zu fassen versucht.

 

 

Der Untergang von Dresden.

 

Auf Rдdern, Hufen, Achsen kriecht ein Wurm.

In abertausend Wagen, Kutschen, Karren

Kommt's angekreucht, gekrochen und gefahren

- einhergetrieben vor den groяen Sturm.

 

Die Elbestadt nimmt all die Menschen auf!

Sie lagern sich in Straяen, Plдtzen, Gдrten,

mit Kindern, Karren, Kochgeschirr und Pferden.

Aus kleinen Feuern sickert feiner Rauch.

 

Um jede Stunde, um Hьgel und Rain

ringen fern indessen deutsche Soldaten

- die Frist zu erkaufen im Feuerschein

der Schlacht, die da giert nach Tod und nach Taten.

Der Fliehenden aber lauert schon Kain.

Am Himmel nahen schon dьstre Schatten.

 

Da heulen plцtzlich die Sirenen auf!

Doch sinnlos scheint ihr Jammern dieser Stдtte.

Im Schoя der Kirchen und der Lazarette

nimmt gnadenlos das Schicksal seinen Lauf.

 

Drцhnt nicht im Westen jetzt ein fremder Laut?

Klingt weit und ferne nicht ein leises Summen?

Schon schwillt es an zu bцsem, lauten Brummen,

das - wachsend - sich zu wildem Tosen staut.

 

Das grцяte Heer, das je am Himmel zog -

die Flotte der "Vereinten Nationen" -

trat an zum Morde an Zivilpersonen,

da es die Elbe brausend ьberflog.

 

Vom Himmel hoch, da heulen nun herab

Brandbomben - tausendfach - und sausen nieder,

und darьber hin, auf silbernen Gefieder,

kreist kalt der Mцrder, der das Nest zertrat.

 

Ein qualvoll Stцhnen spдter: "Dresden brennt!"

Da taumeln Hдuserzeilen hin wie Plunder

und Phosphor sprьht, und Stein verglьht wie Zunder!

Es wankt die Erde und das Firmament.

 

An hunderttausend sterben in der Wucht

des ersten Schlages noch an Ort und Stelle.

Doch angebrandet kommt die nдchste Welle

und trifft ins Herz der wьsten, irren Flut.

 

Der Ordnung unsichtbarer Zьgel reiяt:

Da jagen Rosse, die zerfetzten Strдnge

mit nach sich reiяend in die Menschenmenge -

die eilt und rast und doch kein Ziel mehr weiя.

 

Vom Bombenbersten ist die Luft durchgellt.

In Panik tobt die Masse durch die Straяen,

verbannt, verstьmmelt ьber alle Maяen,

und trampelt nieder, was da strauchelnd fдllt.

 

Der Kinder blondes Haar wird schwarzer Staub,

und blaue Augen schmelzen aus den Hцhlen.

Gedankenschnell verkohlen und verschwellen

der Menschen Hдupter in der Hitze Raub.

 

Es stellte sich dem siedenden Orkan

die Feuerwehr der Stadt getreu entgegen.

Vierhundert Mдnner wagten drum ihr Leben! -

Sie sind gefallen, bis auf einen Mann.

 

Nach seiner Puppe flennt ein kleines Kind,

in einem Hausflur steht's, verirrt, vergessen -

begreift nichts mehr und kann noch nichts ermessen,

und seine Augen sind vor Trдnen blind.

 

Bald brennen Hдuser, Bдume und Asphalt,

die ganze Stadt scheint schon ein Raub der Flammen,

und Menschen brennen, hilflos, jung und alt,

und in den weiten, цden Himmelbahnen -

aus Qualm und Asche, riesig von Gestalt -

den Weg sich kriechend schwarze, zдhe Fahnen.

 

Indessen Phosphor auf sie nieder spritzt,

da folgten hunderttausend einem Rufe

und stьrzten rasend nun hinaus zum Flusse.

"Zur Elbe", gellt es, "dort sind wir geschьtzt!"

 

Da drдngen Lцwen in der Kinder Lauf!

Es brennt der Zoo, es barst das Raubgehege,

und Tier und Menschen folgen einem Wege,

denn Qualm und Tod hebt alle Schranken auf.

 

Die sich gerettet wдhnen auf dem Feld,

hat lдngst der Mцrder aus der Luft gesichtet

und schnelle Jдger haben bald gerichtet -

die Fliehenden und um die Flucht gestellt.

 

Vom Feuerscheine ist der Strom umloht!

Die Silbervцgel stьrzen immer wieder

auf dieses Meer von Weibern, Kindern nieder,

und Bordgeschьtze spenden reichen Tod.

 

Hoch ьber allen Tosen steht ein Schrei

aus hunderttausend Kinderkehlen: "Mutter!"

Doch lдngst sind sie schon zu Kanonenfutter

verdammt und hingemдht wie dьrre Spreu.

 

Und Mьtter schreien, herzzerreiяend, wild,

nach Hans und Gretchen, Walter, Fritz und Liese.

Fort fдhrt das Morden auf der groяen Wiese,

wo Blut in Bдchen auf den Rassen quillt.

 

Da werfen Frauen schirmend ihren Leib

zehntausendfach - gehorchend dunklen Trieben,

im Wahn, zu retten - ьber ihre Lieben!

Den Heldentod stirbt hier das deutsche Weib.

 

Des Reiches Untergang, des Fьhrers Fall -

der nahe Sturz der ringenden Armeen -

genьgt nicht! Der Mьtter Hцllenqual,

das letzte Schluchzen deutscher Kinderseelen,

das unersдttlich hier der Feind befahl,

mag fьrderhin sein Mordgesicht erhellen.

 

Im Herz des Feuers viele tausend Grad,

erklimmt des Flдchenbrandes wildes Glьhen,

und senkrecht rasend in den Himmel fliehen

verglьhte Lьfte - einen roten Pfad.

 

Das Maul des Feuers giert nach neuem Fraя,

und unersдttlich reiяt es nah am Boden

Gebirge frischer Luft in seinen Odem,

herbei sich schlьrfend ohne Unterlaя.

 

So stiehlt ein fremder Mцrder sich zum Raub:

Wie ein Geschoя prescht durch die Schlucht der Straяen

der Feuersog, um Mensch und Roя zu fassen,

und fegt sie mit wie Herbstwind morsches Laub.

 

Es krabbelt jetzt in wilder, toller Hast

ein Meer von Menschen abwдrts in die Keller!

Der heiяe Tod jedoch ist heute schneller:

Die Atemluft wird sacht von ihm verpraяt!

 

Man findet spдter sie - wie unversehrt

und kaum berьhrt von Feuertodes Fдngen -

aufrecht in vollgepferchten Kellergдngen,

die Mьnder aufgesperrt, den Blick verstцrt.

 

Im Stehen sind ganz langsam sie erstickt!

da war nicht Raum, um sterbend hinzusacken,

und angeklammert an der Mьtter Nacken,

da hдngen Kinder, frisch vom Tod gepflьckt.

 

Die geile Zunge hat der Feuersbrunst

nach der Geburtenklinik nun gestreckt:

Hochschwangere Frauen, auf den Tod erschreckt,

die tauchen - halbnackt - auf aus Qualm und Dunst.

 

Da regt sich Leben, lдngst verdammt zum Tod!

Es kreiяen kniend - gleich an Ort und Stelle -

vereinzelt Weiber in der Flammenhцlle

gebдren Kinder, winzig, nass und rot.

 

Sie hasten weiter mit der zarten Brut,

doch Frost und Hitze kennen kein Erbarmen:

ErfrorТne Neugebor'ne in den Armen -

so sterben Mьtter in der Flammenglut!

 

Da - wieder taumelt eine aus der Spur!

Ein Spritzer Phosphor schlug ihr tiefe Wunden.

Dem Kind im Arme ist sie noch verbunden

im Todeskampfe durch - die Nabelschnur.

 

Das Lдcheln, das wir liebten, das Gesicht,

was Vдter, Brьder, Sцhne heilig wдhnten,

zermalmt, zertreten unter Feuerbrдnden,

erdrьckt vom Schutt, der prasselnd niederbricht.

 

Jetzt birst das Lazarett im Bombenschlag,

und tausend Krьppel humpeln, hasten, kriechen!

Am Rьcken schleppt ein Blinder einen Siechen,

der ihm den Weg weist nach - dem jьngsten Tag!

 

So wie die Wespen aus versenktem Nest,

so quellen Kriegsversehrte aus den Fenstern

und krabbeln, hьpfen, tanzen, gleich Gespenstern,

mit blut'gen Stьmpfen auf das wьste Fest.

 

Als sie die Feuerwand rundum umbuhlt,

da wird ihr Zucken, Drдngen, trachten leiser,

das erst verstummt, als sich der Brand schon heiser

grollend als Sieder auf der Walstatt suhlt.

 

Zur selben Zeit, zum Schloяteich auf dem Platz,

da drдngen Menschen her aus allen Gassen.

Ins Wasser taumeln sie in dichten Massen,

gejagt, gepeinigt von des Feuers Hatz.

 

Sie suchen Kьhlung der verschorften Haut -

doch Phosphorbrand, den kann kein Wasser dдmpfen.

An hebt ein Ringen, Drдngen und ein Kдmpfen,

und Weiberschreie gellen irr und laut.

 

Es fьllt der Teich sich quellend bis zum Rand.

Die untersten zerquetscht, zerdrьckt ertrunken,

die oben schon erstrickt im Sturm der Funken,

und um den Riesenkochtopf brьllt der Brand.

 

Ein Dutzend Kilometer im Quadrat,

des heiяen Brand und Tod zuletzt ihr eigen.

Wo noch vor Stunden eine deutsche Stadt,

da schwellen Trьmmer, und Ruinen zeigen

aufwдrts zum Tor, durch das der Mцrder trat,

und klagen an als schamhaft stumme Zeugen.

 

Ringsum das Tagwerk grauenhafter Wut:

Verschmorte Kinder an verkohlten Brьsten,

verrenkt - ein Meer von Gliedern, Schultern, Hьften,

gegart, gesotten in gekochtem Blut.

 

Noch viele Tage hat's geglost, geschwelt

hier auf dem Schlachtfeld, nach dem groяen Brennen.

Unstillbar aber blieben Schmerz und Trдnen

fьr alle jene, die der Tod verfehlt.

 

Warum sie alle, fragt ihr, tot und stumm?

Warum die Jugend Deutschlands hier getцtet?

Weil Deutsch die Sprache, in der sie gebetet,

drum hat man sie gemordet! Nur darum!

 

Nicht um den Glauben ging's in diesem Krieg:

Aus zog die Welt im Schatten edler Fahnen -

doch Neid war es und Miяgunst, was sie trieb.

Da sie dem Reiche Raum und Einheit nahmen,

schlug Kain den Abel, und der Mцrder Sieg

trдgt tief im Schoя der Rache eis'nen Samen.

 

Als Tags darauf, mit ruhig festem Schritt,

getreu der Pflicht und voller bangen Ahnen,

die Bergungstrupps aus der Umgebung kamen,

hielt ich als Kriegsversehrter mьhsam Schritt.

 

Da lag ein Heer von Leichen hingestreut

umarmend sich im Tode, Kinder, Frauen,

und ich, bestellt - ein Zeuge all des Grauen -

ihr Grab zu schaufeln, lange vor der Zeit.

 

Gekommen war ich in der Locken Blond -

doch meine Jungend brach! Brach nicht am Tode,

sondern am Leide, das der Tod verschont.

Weiя ward mein Haar, als ich dem Aufgebote

endlich entrann und wieder heim - zur Front -

von wo der Feind kam, der von Osten drohte.

 

 

 

Zurьck

 

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